
Wer sich schon etwas in der Welt des Kakaos bewegt, stolpert früher oder später über einen Begriff, der fast ehrfürchtig geflüstert wird: Rohkakao, oder internationaler ausgedrückt: Raw Cacao. Klingt rein, klingt naturbelassen, klingt irgendwie heilig. Doch was steckt wirklich hinter diesem Begriff, der in den letzten Jahren wie ein zartbitteres Lauffeuer durch die Szene gezogen ist?
Und viel wichtiger: Ist roher Kakao wirklich so gesund, wie viele meinen?
Der Ursprung des Trends: romantisch, aber nicht historisch
Die Idee vom Rohkakao stammt nicht von den Maya, Azteken oder anderen traditionellen Kakaokulturen. Denn all diese Völker haben ihren Kakao grundsätzlich geröstet. Der moderne Rohkakao-Trend hingegen entwickelte sich parallel zur Rohkostbewegung und speist sich eher aus einem Sehnsuchtsbecken nach Reinheit, Naturverbundenheit und Ursprünglichkeit, weniger aus historisch überliefertem Wissen.
Roher Kakao – ein zweischneidiges Schwert
Was viele nicht wissen (oder verdrängen): Unverarbeiteter Kakao enthält von Natur aus Phytinsäure, ein sogenannter Antinährstoff. Dieser bindet wichtige Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Eisen und Zink im Darm und verhindert deren Aufnahme. Kurz gesagt: All das Gute, was Kakao eigentlich liefert, kommt bei rohem Genuss möglicherweise gar nicht dort an, wo es gebraucht wird.
Zudem können auf ungerösteten Bohnen mikroskopisch kleine Übeltäter wie Schimmelpilze oder Bakterien überleben, da die reine Trocknung in der Sonne zur Desinfektion schlichtweg nicht ausreicht. Erst durch das Rösten werden diese potenziell schädlichen Stoffe zuverlässig abgetötet.
Und was ist mit dem Geschmack?
Ganz ehrlich: Auch ich habe vor zwei Jahren einen Versuch mit Rohkakao gestartet. Der Geschmack? Nicht mein Ding. Da fehlte etwas. Und das ist kein Wunder: Beim Rösten entstehen über 500 (!) Aromastoffe, die nicht nur für das unvergleichliche Kakaoaroma sorgen, sondern den Kakao auch bekömmlicher und runder für unsere Sinne machen.
Fun Fact: Wirklich roh ist der Kakao ohnehin selten
Viele wissen nicht: Bereits bei der Fermentation, also dem ersten Verarbeitungsschritt nach der Ernte, entstehen Temperaturen über 50°C. Laut Definition ist Kakao damit schon nicht mehr wirklich roh. Ein kleiner Haken an der ganzen Rohkakao-Romantik, oder?
Wissenschaftlich? Lückenhaft.
Die wissenschaftliche Argumentation für Rohkakao stützt sich häufig auf den hohen Gehalt an Antioxidantien. Doch dabei wird oft übersehen, dass diese Stoffe ohne gute Bioverfügbarkeit (also ohne dass unser Körper sie aufnehmen kann) wenig Nutzen bringen, insbesondere, wenn gleichzeitig durch Phytinsäure andere Nährstoffe blockiert werden.
Also was tun?
Ich sage es ganz direkt: Ein wenig Rohkakao schadet sicher nicht. Aber ihn täglich zu konsumieren, und das in größeren Mengen, ist aus gesundheitlicher Sicht schlicht nicht empfehlenswert. Genuss mit Bedacht und Wissen, darum geht es uns doch bei Kakao.
In Schoko-Weisheit,
Mischa
Kommentare
Tatsächlich enthält Kakao von Natur aus viel Magnesium – insbesondere roher, ungesüßter Kakao (wie zeremonieller Kakao oder reiner Kakaopulver). Die Bioverfügbarkeit, also wie gut der Körper das Magnesium aufnehmen kann, hängt jedoch stark von der Verarbeitung ab.
Die Kakaobohnen, die ihr bei uns im Shop kaufen könnt, sind in der Regel fermentiert, aber nicht geröstet – also roh im klassischen Sinne. Für mehr Geschmack oder bessere Verträglichkeit kannst du sie rösten – musst es aber nicht. Die Mineralstoffaufnahme wird durchs Rösten nicht unbedingt verbessert, sie bleibt auch bei rohem Verzehr gut – insbesondere, wenn du die Bohnen gut kaust oder sie in einem Smoothie o. ä. zerkleinerst.
Ich war bislang davon ausgegangen, dass das Magnesium auch aus verarbeiteten Cacao und aus Schokolade schlecht bioverfügbar ist .
Oder ist das nicht der Fall ?
Hallo Mischa,
Vielen Dank für die interessanten Einblicke!
Ich habe eine Frage dazu: die Kakaobohnen, die man bei euch im Shop kaufen kann sind roh, oder? Sollten diese dann vor dem Verzehr noch geröstet werden, um eine bessere Aufnahme der Mineralstoffe zu ermöglichen?
Herzensgrüße
Laila