Wie fühlt es sich an, in Abwesenheit dessen zu sein, was gerade größte Bedeutung hat? Wie fühlt es sich an, nicht den Menschen an seiner Seite haben zu können, welcher gerade der wichtigste Bezugspunkt ist? Bis vor gerade mal 6 Monaten hätte ich es dir nicht sagen können. Es war nicht präsent, nicht möglich und irgendwie auch nicht nötig für mich. Ich war gut mit mir selbst und der Welt. Sorgte für mich und genoss, was zu zu genießen gab. War etwas nicht in meiner Greifweite, sog gab es immer eine Alternative, Ablenkung, Substanz oder zur Not auch einen Vorwurf. Ich kannte es nicht anders. Etwas inbrünstig zu vermissen lag nicht in meinem Repertoir, war wohl verloren gegangen. Irgendwo zwischen Kindheit und Erwachsensein. Vielleicht in der Ritze des Sofas verschwunden, auf welchem ich jeden Tag und meist allein viele Stunden Fernsehen guckte. Auf was warten, wenn da eh nichts kommt? Nach wem rufen, wenn mich keiner hört?
In meiner Welt war ich allein und das war gut so. Niemand, der mir fehlte. So selbstständig und erwachsen kam ich mir vor. Dabei war ich so einsam. Niemand, die mir nah genug war, als dass ich sie vermissen müsste. Niemand, der mich verlassen konnte, da ich ihn garnicht erst zu mir ließ. Und wenn doch ein ungutes Gefühl in mir aufkam, so griff ich reflexartig nach der Fernbedienung oder dem 13ten Doppelkeks. So einfach wie das damals war, so schmerzhaft schreibt sich das heute.
Was heißt es, einen Menschen wirklich zu vermissen? Und warum ist das gut? Zu vermissen bedeutet für mich, einem Menschen so nahe zu sein, dass es schmerzhafter ist ohne sie zu sein als mit. Es bedeutet, eine Verbindung eingegangen zu sein, welche Gedanken und Gefühle im Moment übersteigt. Stärker ist und konstanter. Eine Verbindung, die nicht abhängig ist von einzelnen Worten, Taten oder Aktivitäten. Frei von Erwartungen. Eine Verbindung auf Seelenebene, würden manche sagen.
Warum das gut ist? Ich kann hier nur für mich sprechen und das mit dir teilen, was in Tränen und dunklen, zerrissenen Nächten zu mir kommt. Zieh die Taucherbrille an, es wird deep. Für mich ist die Intensität des, teils unangenehmen, Gefühls des Vermissens die exakte Spiegelung meiner Partnerschaft oder Freundschaft. Das heißt, aus dieser Perspektive, ist dieses Du-Fehlst-Mir eine reine und gefühlvolle Bestätigung für die Verbindung, die ich eingegangen bin. Jede Träne der Trauer wie ein Liebesbrief von meiner Gefühlswelt an meinen Verstand, der ruft: So wichtig ist dir dieser Mensch. So sehr liegt dir sein Wohl am Herzen. So sehr schätzt du seine Nähe.
Und dann bricht mein Herz. Nur um liebevoll von mir wieder zusammengesetzt zu werden. Mein Vertrauen versickert. Nur, um von mir in der Tiefe wiederentdeckt zu werden.
Es fühlt sich nach Arbeit an. Es ist schwer. Es ist wichtig. Das ist für mich die Arbeit, die ich mit mir selbst machen kann. Um der bedingungslos-liebende Mensch zu sein, der ich mich entscheide zu sein, auch wenn es nicht immer gelingt.
Wenn ich noch ein Ziel auf diesem Planeten wirklich und mit Mühe und Anstrengung verfolge, dann ist es das: In jedem Moment zu lieben. In der Tiefe, hinter Identifikationen und jenseits von Konditionierungen. Dafür lohnt sich das frühe Aufstehen. Dafür gehe ich gerne zur Arbeit, dafür schwitze ich und vergieße Tränen.
Wenn die Welt ein Spiegel ist, dann liebe ich diesen Spiegel und liebe damit mich selbst. Was im Spiegel zu sehen ist, ist nicht mein Business und birgt keine Gefahr, solange ich diesen wunderschönen Spiegel in meinem Herzen trage.
So schön diese Zeilen klingen, so schade wird es sein, wenn ich sie wieder vergesse. Wenn ich wieder abtauche, mich verstricke, den Bezug verliere.
Und bis dahin genieße ich dieses warme Gefühl in meinem Herzen. Genieße die unklare Sicht durch meine tränengefüllten Augen. Genieße das Wissen um diese Menschen, die ich so tief in meinem Herzen trage, dass kein Blatt Papier dazwischen passt. Danke Anka & Lukas, dass ihr diese Menschen für mich seid. Danke, dass ich euch im Herzen tragen und vermissen darf.
Ihr seid für mich von unschätzbarem wert.
Ich liebe Euch. Euer Mischa
