Grad' eben hab ich mir einen Kakao gekocht. Hier in der Küche des Hostels, wo ich für ein paar Tage unterkomme. Fast wurde mein Unterfangen vereitelt durch drei intensiv brutzelnde Stücke Hähnchenbrust verteilt über den halben Herd. Ein Gefühl von Abstoßung durchzuckte mich. "Sind das die Vibes, mit denen du deinen heiligen Kakao umgeben willst?" fragte mich mein spirituelles Ego unmittelbar. Doch bevor es mein edles Vorhaben einen Kakao zu kochen sabotieren konnte, betrat die Köchin die Bildfläche und bot mir was von ihrem Mittagessen an. Schüchtern und doch mit einem Hauch Stolz präsentierte sie das Hühnerfleisch und zeigte sich bereit, auch mir damit etwas gutes zu tun. Mich zu nähren.
In meinem Herzen machte sich ein Lächeln breit, das ich direkt nach außen kehrte. "No, graçias" erwiderte ich in Dankbarkeit, bevor ich mich zu der lieben kolumbianischen Köchin mittleren Alters gesellte und wir uns den Herd für ein paar Minuten teilten. Während dessen fasste ich für mich den Fall in Stille zusammen: 1. Totes Hühnerfleisch, wahrscheinlich aus einer unökologischen Massenzucht mit dem Potenzial durch regel- und übermäßgen Konsum Menschen wirklichen Schaden zuzufügen. 2. Daneben der vegane, glutenfreie, hochschwingende und synapsenkitzelnde Kakao, den so viele, ich eingeschlossen, für heilig halten und welcher durch bewusste, rituelle Einnahme das Potenzial hat Menschenleben nachhaltig zum Besseren zu verändern.
"Wie kann das zusammenpassen?" dürfte manch eine hochsensitive Seele sich fragen.
Müssten diese beiden Objekte sich nicht von einander wegdrücken, wie gleichgepolte Magneten? Oder der Kakao anfangen zu evaporieren, um diesen "schlechten Vibes" zu entgehen? Nein. Zumindest nicht in meiner Realität. Denn was ich eben spüren durfte ist, dass zwei so gegensätzliche Pole harmonieren können und wollen. Und alles, was es aus meiner Sicht dafür braucht, ist es die Absicht in den Vordergrund zu stellen und nicht die Sache selbst.
In dem Moment, in welchem ich wirklich erkennen kann, aus welchem (guten) Grund diese Dame ihr Fleisch brutzeln lässt, im selben Moment verliert dieses Brutzeln seine, für mich so negativ geladene Bedeutung. Und was bleibt ist Akzeptanz und dadurch Verbindung. Verbindung zu einer Frau, welche bereit ist, das Wenige was sie hat, zu teilen. Und auf der anderen Seite ich, offen ihre Bereitschaft wahrzunehmen und sie mit Dankbarkeit zu empfangen, statt sie in eines meiner Konzepte zu pressen und mit einem "Bad Vibes" Stempel zu versehen. This moment made my day.
Natürlich geht das nicht immer reibungslos, doch wenn Akzeptanz gelingt, dann fühlt sie sich grenzenlos an. Deswegen meine Frage an Dich: Wann hast du das letzte mal jemandem dein absolutes Verständnis entgegengebracht, trotz grundlegend anderer Meinung? Und wann war es dir nicht möglich?
Sonnige Grüße aus dem sehr herzens- und auch so warmen Land Kolumbien. Dein Mischa